Emoji

28.04.2016 | Max Wohlleber | PZI

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Intro

Emoji werden in unserer heutigen computer-basierten Kommunikation häufig verwendet. Zwischenzeitlich findet sich auf vielen Geräten eine für die Darstellung benötigte Emoji-Schriftart. Im folgenden Text will ich versuchen Entwicklung zu erörtern, die notwendig war, damit Emoji-Symbole zu durch unser Netzwerk und unsere Gesellschaft zirkulieren können.
Innerhalb der Betriebssysteme wird Emoji oft wie eine eigenständige Sprache behandelt. Kann Emoji als (Bild-)Sprache funktionieren? Welche Gefahren der Fehlkommunikation lauern bei der Verwendung von Emojis?

Das Essay ist untermalt mit einigen kleinen Arbeiten meinerseits (MWo).

CMC

Die netzbasierte Kommunikation macht (zumindest für die meisten von uns) heutzutage einen bedeutenden Teil unserer gesamten Verständigung aus. E-Mails, Kurznachrichten (SMS, WhatsApp, iMessage, Telegram…), soziale Netzwerke… sobald wir Menschen einen mit einem Netzwerk verbundenen Computer benutzen, um Nachrichten und Mitteilungen auszutauschen, spricht man von computervermittelter Kommunikation bzw. von computer-mediated communication (CMC).

Zu Beginn war computervermittelte Kommunikation stark arbeitsbezogen. Man hatte oftmals gar keinen Computer zu Hause, sondern nur im Büro und die Kommunikation beschränkte sich darauf geschäftliche E-Mails zu verschicken. Mit der popularisierung des Home-Computers, löst sich dieser aus dem Arbeitsumfeld und beginnt das Privatleben der Menschen zu umzukrempeln.

Heute tragen wir einen Computer in der Hosentaschen und verwenden diesen mehrmals am Tag, um sowohl geschäftliche als auch private Mitteilungen auszutauschen. 1989 hatten ca. 15% (🌎) der privaten amerikanischen Haushalte einen Computer, 2013 waren es knapp 80% (🌎). Die computervermittelte Kommunikation selbst hat sich also verändert und entwickelte sich mit der Zunahme der Personal Computer von einem arbeitsbezogenem Medium zu einem mehr spielerischem Medium (vgl. Jibril & Abdullah 2013).

Ein Pew-Report aus dem Jahr 2010 zeigte auf, dass die Textnachricht für Teenager die am häufigsten benutzte Kommunikationsform ist, face-to-face-Kommunikation mit einbezogen (vgl. Lenhart 2012).

Die SIP-Theorie (Social Information Processing), entwickelt 1992 von Joseph Walther, erklärt wie Menschen in einer nonverbalen und rechnerabhängigen also computervermittelten (computer-mediated) Umgebung miteinander interagieren und Beziehungen aufbauen. Die Theorie besagt, dass Menschen, die mittels einem Computer miteinander schreiben (egal aus welchem Grund) aktiv eine soziale Beziehung zueinander aufbauen. Weiter besagt die Themorie, dass, um diese soziale Beziehung aufzubauen, mehr Zeit benötigt wird, als dies in einer vergleichbaren F2F(face-to-face)-Beziehung der Fall wäre. Der Mangel an nonverbalen Signalen bei einer computervermittelten Kommunikation beschränkt den Umfang des Austausches wesentlich, weswegen mehr Nachrichten und somit mehr Zeit erforderlich sind. Ein Schlüssel-Aspekt der Theorie ist nun, dass die Nutzer eines Mediums sich diesem anpassen und Wege finden, die Mängel, die das Medium mit sich bringt, zu überwinden. (vgl. Walther & D’Addario 2001)

Emoticons

Um die strikt textbasierte Kommunikationsform um einen visuellen Ausdruck anzureichern, erfanden die User Emoticons. (vgl. Jibril & Abdullah 2013). Sie erweitern die textbasierte Kommunikation um ein visuelles Element. Die Bezeichnung Emotiocn ist ein Portmanteauwort (Schachtelwort), das sich aus Emotion (Gefühl) und Icon (Symbol) zusammensetzt.

Sanderson (1993) definiert Emoticons als "eine Sequenz aus gewöhnlichen sich auf einer Computer-Tastatur befindeneden Zeichen" (S. 1). Marcel Danesi fügt hinzu:

"An emoticon is often used in an e-mail message or newsgroup posting as a comment on the text that accompanies it. Common emoticons include

the smiley
:-) or :)
and the winkey
;-)
and the yawn
:-o,

among others (Danesi 2009, S. 110)."

Es wird überliefert, dass Scott Fahlman (Professor für Informatik an der Carnegie Mellon University) im Jahr 1982 das erste Emoticon, ein lächelndes Gesicht, auf seiner Computer-Tastatur komponiert hat. Wie er selbst schreibt:

"Yes, I am the inventor of the sideways “smiley face” (sometimes called an “emoticon”) that is commonly used in E-mail, chat, and newsgroup posts. Or at least I’m one of the inventors." (Scott E. Fahlman)

scott e fahlman

An dieser Stelle sei also anzumerken, dass Emojis und Emoticons nicht das selbe sind. Jedoch wurde und wird zunehmend die Texteingabe der Emoticon-Zeichenkombinationen von einigen Programmen in ein entsprechendes grafisches Symbol umgewandelt (z. B. in Word, ICQ, Skype, später Facebook, Twitter…). Und dann wären wir auch schon bei

Emojis

😂

"The Oxford Dictionary" hat das Emoji "face with tears of joy" zum Wort des Jahres 2015 gekürt.

Aber wie brachte es dieses Emoji fertig sich gegen die Herrschaft der Worte durchzusetzen? Wie wurden Emojis zu dieser gelben Suppe, die wir tagtäglich anrühren und mit anderen teilen?

Emoji-Morph, MWo 2015.

Wie alles begann

Als Erfinder der Emojies gilt Shigetaka Kurita. Er arbeitete damals bei DoCoMo in Japan an der weltweit ersten mobilen Internet-Platform namens i-mode (das Ziel war es, Internet Services für bestimmte Mobiltelefone bereit zu stellen, wie Wettervorhersage, News, Reservierungen…). Wir schreiben das Jahr 1999 (16 Jahre nach dem ersten Emoticon). Um beispielsweise Wettervorhersagen statt mit "fine" mit einem Sonnen-Symbol deklarieren zu können, schlug Kurita vor, Emojis zu i-mode hinzuzufügen.

"I passionately proposed to add emoji to i-mode. My proposal was accepted quite easily since there weren’t many planners back then.” (Nakano 2016)

Ein weiterer Vorteil der Emojis war, dass die zur damaligen Zeit sehr begrenzte Displaygröße mit einem Emoji oft besser genutzt werden konnte.

“At the time, the specs on the devices were really poor, so they weren’t able to display images, for example.” (Kurita).

Das erste Set an Emojis umfasste 172 Symbole, war einfarbig und die Symbole lagen einem 12 x 12 Pixel Raster zu Grunde.

Emojis 1.0.

Diese Größe von 12 x 12 Pixel hatte übrigens zur Folge, dass DoCoMo's Emojis nicht dem Urheberrecht unterlagen (“they’re only 12 blocks by 12 blocks,” the company was told). Das wiederrum führte dazu, dass die kleinen Bildchen kopiert und auch von anderen Firmen aufgegriffen wurden und sich somit schnell verbreiteten. Erst in Japan, einige Jahre später auch in der westlichen Welt.

Apple

Es war 2007, als Apple das erste iPhone veröffentlichte. Der weltweite Smartphone-Markt boomte und Apple war wohl klar: Um den japanischen Markt knacken zu können, müssen Emojis her. Willem van Lancker entwarf mehrere 100 Emoji-Charakter für das Japan-iPhone (iPhone 3GS, 2009). Mit der Firmware 2.2 hatten japanische Usern dann Zugriff auf die erste Apple Emoji-Tastatur. Technisch versierte User in der westlichen Welt fanden einen Weg, die normalerweise versteckte Emoji-Tastatur einzublenden, nämlich indem sie eine japanische App herunterluden. Mit iOS 5 im Jahr 2011 stand die Apple Emoji-Tastatur dann für jeden iOS-Nutzer zur Verfügung. Halleluja.

Unicode

Hier werde ich nicht zu sehr ins Detail gehen, jedoch ist die Implementierung der Emojis in den Unicode nicht unwesentlich für deren Verbreitung. Unicode (in den 1980ern gestartet) soll ein weltweit standardisiertes System zur Kodierung von Textzeichen darstellen. So erhält jedes Zeichen eine bestimmte "Nummer", die dann vom Computer intepretiert wird. Kurz gesagt: Unicode ist der Grund dafür, dass Nachrichten, die bspw. von einem iPhone auf ein Android-Gerät geschickt werden, dort korrekt angezeigt werden und andersherum.

Seit Oktober 2010 sind Emojis im Unicode aufgenommen. Dies gibt uns die Freiheit Emojis hin und her zu schicken, ohne dass der Empfänger ein schwarzes Rechteck mit Fragezeichen empfängt (�). Die Aufnahme von Emojis in den Unicode Standard ist also ein Schlüsselereignis, das überhaupt erst diesen regen Austausch von Emojis ermöglicht.

Für Emojis stellt das Unicode Konsortium einen Code und eine Kurzbeschreibung bereit. Beispielsweise ist der Unicode für das Emoji 😂: U+1F602, die Kurzbeschreibung ist: "FACE WITH TEARS OF JOY". Die eigentliche Grafik ist nicht beinhaltet. Das ist ungefähr das selbe wie bei allen anderen Unicode Textzeichen auch: Der Unicode für den Buchstaben A ist beispielsweise U+0041, die Kurzbeschreibung "LATIN CAPITAL LETTER A". Es ist jedoch nicht festgelegt, wie der Buchstabe A genau auszusehen hat. Das Rendering und die bestimmte Darstellung des Buchstaben hängt vom Schrifttyp ab. (vgl. Miller, Thebault-Spieker, Johnson, Terveen, Hecht 2016)

Wird also ein Emoji verschickt, wird der Unicode-Code vom Empfängergerät interpretiert und in die entsprechende Grafik gewandelt.

Same same but different

Da fast jeder Smartphone-Hersteller eine eigene Emoji-Schriftsätze benutzt, sehen Emojis mit dem selben Unicode-Code auf Geräten unterschiedlicher Hersteller verschieden aus. Wie auch das "A" in Times New Roman anders aussieht wie das "A" in Helvetica.

Im Gegensatz zu Buchstaben, kann die Interpretation von Emojis stark variieren (sogar bei Emojis der selben Emoji-Schriftart). Emojis stellen im Gegensatz zu Buchstaben keinen "Laut" dar, sondern müssen vom Empfänger interpretiert werden. Emojis bergen deswegen großes Potential zur Fehlkommunikation. Einerseits durch die unterschiedliche Darstellung der Emoji-Grafiken unterschiedlicher Hersteller und andererseits durch die mögliche Interpretation des Empfängers. (vgl. Miller, Thebault-Spieker, Johnson, Terveen, Hecht 2016)

Auf der Unicode-Webseite findet sich eine Tabelle mit allen im Unicode befindlichen Emojis und dazugehöriger Grafiken einiger bekannter Hersteller. Bei Emoji U+1F601, "GRINNING FACE WITH SMILING EYES", wird deutlich, dass eine Nutzung dieses Emoji zu Fehlkommunikation einlädt: Während man die Darstellung dieses Emoji von Apple und Twitter leicht negativ interpretieren könnte, sind die Darstellungen von Google, Samsung und Windows deutlich positiv.

Wie sich Emojis unterscheiden. Screenshot Unicode.

Das Kalender-Emoji zeigt auf Apple-Produkten immer den 17. Juli, der Tag im Jahr 2002 an dem Apple das Programm iCal auf der MacWorld veröffentlichte (Dewey 2014). Dieser Tag wurde 2014 zum #WorldEmojiDay erklärt: (🌎).

Safe the Date: Der World Emoji Day ist am 17. Juli.

Ein weiteres Beispiel für die plattformabhängige Darstellung deckt ein weiteres generelles Risiko für Fehlkommunikation auf: 💩 Der Kackhaufen-Emoji ("PILE OF POO"). Auf Apple-Geräten strahlt er einem entgegen, bei Microsoft hat er gar kein Gesicht, bei Samsung nur Augen und auf Google-Geräten umkreisten ihn bis Android 5.0 noch Fliegen. Der Ursprung dieses Emojis liegt in Japan und bedeutet so etwas wie Glück (das japanische Wort für Kacke [unko] beginnt mit dem selben "oon"-Laut wie ein Wort, das "Glück" meint. Die Japaner erfreuen sich an diesem Wortwitz und man verschenkt auch gerne mal einen goldenen Kothaufen als nette Geste [vgl. Healy 2015]).

Drauf geschissen: "Pile of Poo"-Emoji bei Android 4, Android 5, Apple, Microsoft, Samsung, Twitter, HTC, LG und Emoji One.

In unterschiedlichen Kulturkreisen können Emjois also sehr unterschiedliche Bedeutungen haben. Sie sind zur selben Zeit Piktogramme und Ideogramme. Beispielsweise sind in der westlichen Welt das Auberginen-Emoji 🍆   häufig für Penis benutzt, das Pfirsich-Emoji 🍑   für Vagina.

Um die Emoji-Tastaur auf dem iPhone zu aktivieren, muss man diese in den Einstellungen > Allgemein > Tatstaur > Tastaturen auswählen. Emoji befindet sich gleich zwischen Dänisch und Englisch. Um sie dann in einem Chat zu verwenden klickt man einfach auf das "Welt"-Icon und wählt Emoji als Sprache aus.

Bei iOS ist Emoji (offensichtlich) eine Sprache.

Emoji als unversale Sprache

Funktioniert Emoji als unversale (Bild)sprache? Finanziert über durch Crowdfundig wurde das Buch Moby Dick komplett in Emojis übersetzt. Das Ergebnis ist Emoji Dick. Auf emojipoems.tumblr.com werden mit Emojis Gedichte verfasst, dabei könnte die Emoji-Tastatur von Emoji Works, die das tippen von Emojis vereinfacht, ganz hilfreich sein.

firstlinesemojidick
Die erste Zeile aus Emoji Dick: 'Call me Ischmael'.

Sind diese modernen Hieroglyphen der Beginn einer neuen Sprache? Mark Davis, der Co-Gründer und Präsident von Unicode, ist der Meinung, dass sich aus Emojis eines Tages mehr entwickeln könnte. Er würde es im Moment nicht "Sprache" nennen, aber es könnte sich zu einer entwickeln, wie z. B. Chinesisch. (vgl. Bromwich 2015).

Wenn wir Emoji benutzen, ergänzen oder unterstützen diese Symbole oft das Geschriebene oder suggerieren Ironie oder Sarkasmus. Ähnlich wie der Gebrauch von Gesten bei einer Gesicht-zu-Gesicht-Unterhaltung. Unsere natürliche Sprache ist nur sehr selten auf die Lautsprache begrenzt und wird deswegen als "multimodal" bezeichnet. Jedoch werden Emoji von ihren Nutzern nicht ausschließlich als Ausschmückung verwendet, sondern auch zu einer Sequenz aneinandergereiht, um einen Sinn zu übermitteln. Nicht selten, Damit Emoji als Sprache funktionieren kann, fehlt jedoch eine Schlüsselkompnente: Grammatik. (vgl. Cohn 2015)

Und Emoji zu sprechen ist auch nicht ganz ohne. Aber Siri bekommt das schon ganz gut hin:

speakemoji
Siri-Lesung.
Subterranean Emoji Blues, MWo 2015.

Bibliografie

"An iPhone Note to Ellen", MWo 2015.